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ONLINE - 12. September 2005, 12:41
URL: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,374219,00.html 
André Heller in Afrika
Überall Artisten und 
nirgendwo ein Zirkus
Aus Marrakesch berichtet Henryk M. Broder 
André Heller, Multitalent aus Wien, hat schon vieles gemacht: Shows und 
Spektakel, Feuerplastiken, Flugskulpturen und Blumeninstallationen. Jetzt will 
er 120 Artisten aus Afrika nach Europa holen. Am Wochenende stellte er das 
Projekt in Marokko vor. 
	
		
			
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				Henryk M. Broder 
			
				Künstler Heller, Tanzgruppe Georges Momboye: 
				"Wenn's gut geht, werden die Leute sagen: Jetzt grast er Afrika 
				ab" 
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"Nächstes Jahr werde ich 59, ich muss mir nichts mehr beweisen, ich könnte 
aufhören zu arbeiten, aber ich kann nicht. Ich muss weitermachen." André Heller 
steht auf dem Dach des "Yacout", das mal ein Stadtpalast war und nun ein 
Top-Restaurant ist, schaut in die untergehende Sonne über Marrakesch und spricht 
melancholische Sätze. "Ich bin ein organischer Feigling, mein ganzes Leben 
besteht aus der Überwindung von Angst. Deswegen fange ich immer etwas Neues an. 
Aber dem Heller glaubt man sowieso nicht. Wenn's gut geht, werden die Leute 
sagen: Jetzt grast er Afrika ab."
Heller trägt eine weiße Hose, ein weißes Hemd, ein weißes Sakko. Sein Outfit 
kontrastiert mit dem farbenprächtigen Ambiente des "Yacout", so müsste ein 
moderner Prinz Jussuf aussehen, wenn ihn Else Lasker-Schüler heute erfinden 
würde. Er wohnt in Wien und auf einem Landgut in Italien, aber eigentlich ist er 
immer unterwegs, auf der Suche nach dem Wahren, Schönen, Guten. Anfang der 
siebziger Jahre lebte er ein Jahr in Marrakesch, damals schon war die Stadt "das 
Epizentrum der Männerliebe" (Heller), eine liberale und lebenslustige Oase in 
der nordafrikanischen Wüste. Vor sechs Jahren, 1999, inszenierte er hier "Die 
Stimmen Gottes", ein spirituelles Fest mit Sängern, Musikanten und Tänzern aus 
zwölf verschiedenen Kulturen, unter ihnen Andachtsjodler aus den Alpentälern, 
Sufi-Tänzer aus Arabien und Inuit-Musiker aus Grönland.
Am vergangenen Wochenende stellte er in Marrakesch sein neuestes Projekt vor: 
"Afrika! Afrika! Das magische Zirkusereignis vom Kontinent des Staunens." Wie 
immer bei Heller ist es kaum möglich, in einem Satz zu erklären, worum es geht, 
klar ist nur, es soll wieder ein Zirkus werden, aber ganz anders als diejenigen, 
die er in der Vergangenheit mit Liliputanern, Chinesen und Sinti und Roma 
inszeniert hat. 
 
	
		
			
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				Henryk M. Broder 
			
				"Verwirklicher" Heller: Mittelpunkt seines 
				eigenen Universums 
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Mögen andere Männer mit fast 60 in den Ruhestand gehen, mit ihren 
Modelleisenbahnen spielen oder es noch einmal in der Politik versuchen; André 
Heller will nur eines: sich selbst verwirklichen und andere daran teilnehmen 
lassen. Bis jetzt hat er mit diesem Konzept Glück und Erfolg gehabt, egal ob er 
schwarze Entertainer auf die Bühne holte ("Body and Soul"), sich einen eigenen 
Vergnügungspark baute ("Luna Luna") oder Blumenskulpturen im Park von Schönbrunn 
konzipierte. Dass er außerdem schreiben, singen und schauspielern kann, macht 
ihn vielen Kritikern verdächtig, die von einem richtigen Künstler erwarten, dass 
er sich auf ein Fach festlegt. Heller dagegen ist nicht nur ein Multi-Talent, er 
ist auch der Mittelpunkt seines Universums, der wie ein Sonnenkönig gerne Hof 
hält.
Wer ihn ein wenig kennt weiß: Das ist nur die Fassade, hinter der ein Handwerker 
an sich selbst schleift. "Alles, was ich mache, ist mir nicht gut genug." In 
Marrakesch freilich, unter der heißen afrikanischen Sonne, tritt der Hofherr 
fast demütig auf. "Ich danke Ihnen, dass Sie die Mühen auf sich genommen haben, 
hierher zu kommen", begrüßt er die angereisten Journalisten, nennt sie 
"Durchlauferhitzer" und "liebende Menschen", auf die er angewiesen ist, um das 
Projekt "zu kommunizieren". Er selbst, sagt Heller, könne "Dinge tun, die mich 
freuen", das sei "ein Glückszustand", zugleich aber auch "eine Stunde der 
Wahrheit". Dann spricht er über den subventionierten Kulturbetrieb, in dem 
Intendanten und Regisseure sich ohne jedes Risiko austoben dürfen. Während er 
"immer das Geld verdienen" musste, das ihm andere anvertraut hatten.
Neben Heller sitzt, ganz in Schwarz, Matthias Hoffmann, Chef der Firma "Deutsche 
Arena". Hoffmann hat schon als Student Konzerte und Shows veranstaltet, später 
unter anderem die "Drei Tenöre" als Impresario betreut, viel Geld verdient, aber 
auch Ärger mit dem Finanzamt gehabt. Zuletzt hat er das "Palazzo" mit Eckart 
Witzigmann auf den Weg gebracht, eine inzwischen viel kopierte Show der 
"Erlebnisgastronomie". Der "Afrikanische Zirkus" wird ihn etwa fünf Millionen 
Euro kosten, es können aber auch mehr sein: "Der Break-Even-Point ist mir 
davongelaufen", sagt Hoffmann. Man werde ein Zelt mit mehr als 2000 Sitzen 
bauen, so hoch wie ein neunstöckiges Haus, ausgelegt mit Teppichen und einer 
Technik "wie in einem Spitzentheater". 
 
	
		
			
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				Henryk M. Broder 
			
				Heller mit Produzent Hoffmann, Choreopgraph 
				Momboye, Uno-Delgiertem Diene: "Bei den afrikanischen Artisten 
				ist es immer eine Hetz'" 
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Um das Ganze von einem Ort zum anderen zu schaffen, werden 28 Sattelschlepper 
nötig sein. Die 120 Artisten aus ganz Afrika werden nicht, wie sonst üblich, in 
Waggons auf dem Gelände wohnen, sondern in angemieteten Wohnungen, betreut von 
Köchen, die ihnen helfen sollen, das Heimweh zu überwinden. "Auch das 
Zirkus-Restaurant wird eine sinnliche Qualität haben", verspricht Heller. Statt 
"ranziger Pommes frites" werde es afrikanische Spezialitäten geben. 
Heller, der Verwirklicher, will "Afrika nach Europa" bringen, als Show, als 
Theater, als Spektakel. Warum er das macht? "Weil es das bis jetzt nicht gab. 
Überall in Afrika findet man tolle Artisten, aber keine Zirkusse." Anders als in 
Europa, seien Kultur und Kunst in Afrika "für alle" da. "Wenn bei uns eine 
80-jährige Frau anfangen würde zu tanzen, würde man sie sofort verhaften." In 
Afrika sei so etwas ganz normal.
Neben Heller sitzen zwei Afrikaner, der Tänzer und Choreograph Georges Momboye 
von der Elfenbeinküste und Doudou Diene aus Senegal. Heller stellt ihn als den 
"Rassismus-Beauftragten der Uno" vor, aber Diene ist mehr als das: "Special 
Rapporteur on contemporary forms of racism, racial discrimination, xenophobia 
and related intolerance" im Büro des Hochkommissars für Menschenrechte. Diene 
trägt einen bodenlangen blauen Umhang, sieht wie ein schwarzer Bruder von Yul 
Brynner aus und spricht über "kulturelle Ignoranz" und "kulturelle 
Missverständnisse". 
 
	
		
			
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				Henryk M. Broder 
			
				Tanzgruppe Momboye: "Afrika ist jetzt in Europa" 
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Die Europäer müssten begreifen, dass vieles ganz anders geworden sei. "Afrika 
ist nicht nur in Afrika. Afrika ist jetzt in Europa. So wie früher Europa in 
Afrika war." Heller nickt zustimmend. Er sei die "Hasserrektionen" leid, die von 
Künstlern erwartet und geliefert würden. "Ich hätt's gern, dass wir durch Freude 
leben", sagt er in schönstem Wiener Schmäh, und: "Bei den afrikanischen Artisten 
ist es immer eine Hetz'."
Heller, der am Anfang seiner Karriere als Autor für die TV-Show "Wünsch Dir was" 
gearbeitet und schon mit 25 seinen eigenen Nachruf als Film gedreht hat ("Wer 
war André Heller?"), ist älter aber nicht erwachsener geworden. Er hat eine 
lange Liste mit Projekten, die er gerne realisieren möchte. Darunter auch die 
"Arche Noah des Handwerks". Ein großes Schiff soll einen Hafen nach dem anderen 
im Mittelmeer anlaufen und überall Handwerker an Bord nehmen, die selten 
gewordene Berufe ausüben: Steinmetze und Stukkateure, Schmiede und Weber, 
Papierschöpfer und Flachsbrecher. "Ich mach' das zu meinem 70. Geburtstag."
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