Schock auf der Fanmeile

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WM 2006 in Berlin

Schock auf der Fanmeile - Auto rast in Menge

33 Jahre alter Fahrer verletzt 21 Besucher der WM-Party am Brandenburger Tor. Innensenator spricht von einem "Verrückten"

Von Alexandra Maschewski, Peter Oldenburger und Markus Falkner - Foto: ddp http://www.morgenpost.de/content/2006/07/03/berlin/839074.html Aus der Berliner Morgenpost vom 3. Juli 2006

Bild aus der Morgenpost Feuerwehrleute sichern Spuren rund um den silbernen Kleinwagen

Geschockt stehen die 34jährige Sabrina Saribas und ihr Freund Thorsten Meyer an der Ebertstraße vor dem Eingang zur Fanmeile, dessen Absperrung der Autofahrer zuvor mit seinem Fahrzeug durchbrochen hatte, halten sich gegenseitig im Arm. Krankenwagen stehen in der Nähe des Brandenburger Tors, gerade treffen Mannschaftswagen der Polizei mit Blaulicht ein. Laut Informationen dieser Zeitung soll der Fahrer, der seine Mutter mit im Wagen hatte, auf dem Weg in den Botanischen Garten gewesen sein, als er die Nerven verloren habe und zielgerichtet zum Brandenburger Tor gefahren sei.
"Man hörte einen lauten Knall", erzählt der 37jährigeTempelhofer. "Wir sahen ein silbernes Fahrzeug auf uns zukommen. Meine Freundin zog mich sofort zur Seite und wir flüchteten in den Wald, so daß wir zum Glück überlebt haben." Der Kleinwagen sei mit bestimmt "40 bis 50 Sachen" in die Menschenmenge und dann in der Nähe der Bühne gegen einen Betonklotz gefahren und zum Stehen gekommen. "Ein paar Leute hat er angefahren, zum Glück waren heute nicht so viele hier", sagt Meyer. "Die Polizei hat ganz schnell reagiert und den Fahrer an Armen und Beinen aus dem Wagen gezogen", erzählt Sabrina Saribas. Hinten im Wagen habe auch noch eine Frau mit einem Kopftuch gesessen. "Für uns sah das so aus, als sei es geplant gewesen, nicht wie ein Unfall."
"Alles ging so rasend schnell", sagt der 36jährige Berliner Joachim Scholtyssek. Er selbst habe direkt an der Bühne gestanden, als das Auto die Absperrung durchbrach. Es seien auch viele Kinder da gewesen, weil wenig zuvor auf der Bühne Bälle verteilt worden seien. "Ich bin in Richtung Siegessäule gelaufen. Panik ist nicht unter den Fußballfans ausgebrochen, die Menschen waren entsetzt, haben aber nicht geschrieen." Die Polizei habe schnell reagiert und den Eingang abgesperrt. Der Fahrer des Wagens sei mit gezogener Waffe aus dem Auto geholt worden. Daß eine Bombe im Auto sein könnte, habe niemand zur Sprache gebracht. "Ein Mann wollte mir weismachen, daß die Bremsen am Auto defekt gewesen sein könnten, aber das konnte ich nicht glauben. Für mich sah es so aus, als sei der Fahrer direkt in die Menschen reingefahren."
Auch die Sicherheitskräfte auf der Fanmeile mußten sich nach dem Vorfall erst einmal erholen. "Was wäre gewesen, wenn heute ein Spiel übertragen worden wäre? Bis jetzt hat alles so gut geklappt", sagt eine Fanmeilen-Mitarbeiter, der gerade gekommen ist, um seinen Dienst anzutreten. Schnell kommt er mit Passanten ins Gespräch, die eigentlich die Fanmeile besuchen wollten. "Bis jetzt konnte man so stolz sein und jetzt das", sagt eine Frau bedrückt.
Die 14jährige Lisa Zander aus Pankow stand unmittelbar neben der Bühne vor dem Brandenburger Tor. Sie ist blaß im Gesicht, die Beine zittern ihr immer noch. "Plötzlich kam das Auto angerast und wurde immer schneller." Dann sei es gegen die Sicherheitsbarriere gekracht, an der Räder angeschlossen waren. "Ein älterer Mann, der an der Sperre stand wurde von dem Auto angefahren, dann durch die Luft geschleudert und blieb dann liegen." Sofort seien Notärzte zur Stelle gewesen.
Jürgen Bäumer vom ZDF war während des Zwischenfalls ebenfalls auf der Fanmeile. "Mir ist der Wagen aufgefallen, weil er viel zu schnell fuhr." Er sei überrascht gewesen, daß das erste Sperrgitter so leicht zu überwinden gewesen sei. "Eigentlich sehen die doch ziemlich stabil aus." Der Fahrer habe nach Überwindung der Gitter noch einmal Gas gegeben und sei auf die Menschen zugefahren.
Augenzeuge Adolf Labahn wäre fast von dem Amokfahrer getroffen worden, als er mit seiner Familie auf dem Weg Richtung Fanmeile war. "Ich wollte gerade die Straße betreten, als ich hinter mir ein Scheppern hörte", berichtet der 54jährige. An der Behrenstraße habe der Täter offenbar bereits ein Verkehrsschild umgefahren. "Ich zuckte vom Bordstein zurück und sah, wie er einen weiten Bogen fuhr und gezielt die linke Seite der Absperrung ansteuerte", sagt Labahn. Nach dem ersten Aufprall habe der Fahrer kurz angehalten, um dann in die Menge zu fahren. "Das war sicher kein Zufall, das war volle Absicht", sagt der Zeuge. "Wir standen unter Schock. Die Kinder haben geweint."
Musiker Moshood Adekunle konnte den Vorfall von der Bühne aus beobachten. "Wir haben gerade Pause gemacht. Nach dem Crash hat die Polizei den Mann aus dem Auto geholt, ihn auf den Boden gedrückt." Besucher der Fanmeile hätten danach gemutmaßt, daß es sich um einen Mann indischer Herkunft handeln könnte.
Während Senatssprecher Michael Donnermeyer an der Ebertstraße Journalisten aus aller Welt den aktuellen Sachstand erläutert, zugegen ist ein Team aus Italien, man hört Spanisch, Englisch und Französisch, ist die Stimmung rund um das Brandenburger Tor sehr gelassen. Geduldig geben die Polizisten Auskunft über die Sperrung, und erklären, wie man doch noch auf die Fanmeile kommt. Nach Abschluß der Maßnahmen zur Spurensicherung sollten die gesperrten Teile der Fanmeile gleich wieder freigegeben werden. Auch das geplante Konzert des Deutschen Symphonie-Orchesters sollte wie geplant stattfinden. Das LKA bittet Zeugen um Mithilfe: Tel.: 4664-911 203.


SPIEGEL ONLINE - 02. Juli 2006, 18:53
URL: http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,424701,00.html Berlin - asc/AP/Reuters/dpa

"Verrückter" rast in WM-Fanmeile - Mehrere Verletzte

Dramatischer Zwischenfall auf der Berliner Fanmeile: Ein Autofahrer durchbrach die Absperrungen und raste in die Menge. An die 20 Menschen wurden verletzt. Innensenator Körting schloss einen terroristischen Hintergrund aus und nannte den Täter einen "Verrückten".

Berlin - Über die Anzahl der Verletzten nahe des Brandenburger Tores gibt es unterschiedliche Angaben. Die Zahlen schwanken zwischen 15 und 21 Personen. Ein 11-jähriger Junge erlitt Knochenbrüche.

Ende einer Irrfahrt durch die Fanmeile: Motiv unbekanntEnde einer Irrfahrt durch die Fanmeile: Motiv unbekannt

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sagte: "Es handelt sich nicht um ein Attentat." Vielmehr habe offenbar ein "Verrückter" versucht, Aufmerksamkeit zu erregen. "Über die Motive wissen wir noch nichts." Der 33-Jährige sei deutscher Staatsbürger indischer Abstammung. Der zeitweilige Verdacht auf einen Sprengstoffanschlag sei entstanden, weil er nach dem Aussteigen "Kawumm" gerufen habe. Nach Angaben der Polizei wurde in dem Wagen kein Sprengstoff gefunden. Senatssprecher Michael Donnermeyer teilte mit: "Wir haben Glück gehabt. Es hätte schlimmer kommen können."
In dem Wagen befand sich laut Polizei neben dem 33-Jährigen auch eine 55-jährige Frau. Beide wurden festgenommen und befragt.
Der Zwischenfall ereignete sich nach Worten einer Polizeisprecherin gegen 15.45 Uhr am Platz des 18. März. Der silbergraue Wagen vom Typ VW Polo sei vom Potsdamer Platz her gekommen, habe eine Absperrung an der Ebertstraße durchbrochen und sei mitten vor der Haupttribüne am Brandenburger Tor zum Stehen gekommen. Dort sei vergleichsweise wenig los gewesen, zumal es am Sonntag kein WM-Spiel gab.
Ein Augenzeuge, Thorsten Meyer, hatte ursprünglich vermutet: "Das war ein Attentat." Er sagte, das Auto sei auf ihn zugefahren, seine Freundin habe ihn aus der Bahn gezogen. Der Fahrer sei seiner Schätzung nach mit 40 bis 50 Stundenkilometern unterwegs gewesen. Er sei an einen Betonpoller gefahren. Seiner Einschätzung nach sei der Mann bewusst in die Fanmeile hineingefahren, sagte Meyer. Zum Glück seien dort wenige Leute gewesen.
Die Fanmeile wurde geräumt und zeitweise weiträumig abgesperrt. Das Fanfest wurde aber wie geplant mit einem Konzert des Deutschen Sinfonieorchesters am Abend auf der Bühne vor dem Brandenburger Tor fortgesetzt. "Wir haben alles im Griff", sagte Donnermeyer.
Die Berliner Fanmeile ist das größte Festgelände, das in Deutschland zur Fußball-Weltmeisterschaft eingerichtet wurde. Vor der Hauptbühne am Brandenburger Tor gibt es in der Regel das größte Gedränge. Zu den vergangenen Spielen der deutschen Nationalmannschaft waren rund 750.000 Menschen auf die Fanmeile geströmt. In den vergangenen drei Wochen kamen insgesamt nach Angaben des Senats bereits über sechs Millionen Besucher.


World Cup Crash Drama

SA artists at concert as 'crazed motorist' drives car through Berlin crow

July 03, 2006 Edition 2  by Charles de Olim http://www.thestar.co.za/index.php?fArticleId=3320496

Armed German police surrounded a car within seconds after it crashed into spectators and came to rest just metres from a stage on which South African musicians were about to perform.
The immediate fear was that it was a terrorist attack.
Amid scenes of panic at the Brandenburg Gate in Berlin yesterday, police arrested a 33-year-old driver - said by witnesses to be either of Indian or Indonesian descent - and his 55-year-old passenger.
No explosive material was found in the car.

Stunned: Simphiwe Dana is one of the artists who was due to perform at a Berlin concert when a car crashed through banners and came to rest a few meters from the stage. Photo: Lebo Mashiloane, The Star

A child was seriously injured when the vehicle ploughed into the crowd. Another 20 people were also hurt, 11 of whom were taken to hospital.
Within minutes, ambulances were attending to the injured at a nearby Red Cross medical tent, while police cordoned off the area as they ushered spectators away.
It is still unclear how the driver got through two security checks and drove 300m before crashing in front of the stage.
Police believe the driver intentionally broke through the barrier in an effort to seek attention.
Authorities hadn't determined a motive for the incident, but police said it appeared to be a stunt by a "crazed man".
"But it was not an attack," they said.
Johnny Clegg, performing on the bill organised by Germany's Ministry of International Development in conjunction with South Africa's Department of Arts and Culture, was on stage when the incident took place:
"I was checking sound equipment when I saw the car careering through the barrier," he said.
"I saw a woman being hit by a bicycle that ricocheted off the car. It looked to me as if the man deliberately drove into the crowd.
"There was quite a tussle with the driver. The police were kicking him before they managed to handcuff him and carry him away.
"At the moment we (South African artists) have been corralled into a hotel. Our equipment, wallets and valuables are still at the venue because they wanted to evacuate immediately," Clegg said.
Along with Freshlyground and the Kholwa Brothers, Simphiwe Dana was also due to perform at the gig. A member of her jazz group was on stage at the time.
"There was a loud bang and people were screaming and shouting. It looked like an Indian guy that was arrested," a shaken Bafana Sukwene said.
Published on the web by Star on July 3, 2006.


Polizei ermittelt wegen versuchten Mordes

http://www.tagesspiegel.de/berlin/nachrichten/fanmeile/67746.asp# vom 3.7.06

Einen Tag nach der Amokfahrt eines Mannes auf der Berliner Fanmeile geht die Polizei von einer vorsätzlichen Tat aus. Der Tatverdächtige sollte noch heute einem Haftrichter vorgeführt werden.

Foto: ddpBerlin - Die Zahl der Verletzten bei dem Zwischenfall erhöhte sich derweil auf 26. Der bei der Amokfahrt schwer verletzte elfjährige Junge hat nach Angaben des Sprechers eine Gehirnerschütterung und Rippenbrüche erlitten.
Das Motiv des Tatverdächtigen ist weiter unklar. Der Deutsche indischer Abstammung sei von der Mordkommission vernommen worden, sagte der Sprecher. Die unbeteiligte Beifahrerin, bei der es sich möglicherweise um die Mutter des Mannes handelt, sei dagegen wieder auf freiem Fuß. Der Mann hatte mit seinem Pkw am Sonntagnachmittag Absperrungen durchbrochen und war auf die WM-Fanmeile gerast. Ein Anschlag wurde inzwischen ausgeschlossen.
Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) stellte klar, das Sicherheitskonzept für die Fanmeile werde nicht grundsätzlich geändert. Solche Taten seien nicht komplett auszuschließen. Deshalb mache es keinen Sinn, derartige Veranstaltungen mit Stahlbetonbarrieren zu schützen. Erst Ende Mai war ein 16-Jähriger bei der Eröffnung des Berliner Hauptbahnhofes Amok gelaufen und hatte zahlreiche Menschen mit einem Messer verletzt.
Nach Polizeiangaben hatte der mutmaßliche Amokfahrer aus Richtung Potsdamer Platz kommend mit einem silbergrauen VW Polo zuvor zunächst die äußere Absperrung in Höhe der Haupttribüne am Brandenburger Tor durchbrochen. Laut Körting fuhr der Pkw dann in Schlangenlinien auf das Brandenburger Tor zu. Dabei soll der 33-Jährige Zeugenaussagen zufolge noch einmal Gas gegeben haben. Nach etwa 300 Metern kam der Wagen zum Stehen.
Zum Glück nur wenige Menschen auf der Fanmeile
Unter den Verletzten waren auch Touristen aus den Niederlanden, Australien und Argentinien. Am Sonntag hatte die WM spielfrei. Deshalb waren nur recht wenige Menschen auf der Fanmeile. Auf dem Areal schauen sich seit Beginn der Fußball-WM jeden Tag Zehntausende Menschen die Spiele an und feiern ausgelassen. Bei den Begegnungen der deutschen Nationalmannschaft kamen Hunderttausende Fußballfans.

Foto: ddp Polizeiabsperrung am Unglücksort

Körting sagte, der Tatverdächtige sei Deutsch-Inder. Sein Motiv sei noch unklar. Er habe aber sicherlich Menschen verletzten und Aufmerksamkeit erregen wollen. Als der 33-Jährige aus dem Auto gezerrt wurde, soll der Mann "Kawumm" gerufen haben. Doch Sprengstoff hatte er nicht dabei.
Der betroffene Bereich der Fanmeile wurde zunächst weiträumig abgesperrt, später jedoch wieder geöffnet. Das Unterhaltungsprogramm wurde fortgesetzt. Auch das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin wollte wie geplant am Abend auftreten. Das Konzert ist der Abschluss des Kunst- und Kulturprogramms der Bundesregierung zur WM.
Erst am Samstag hatten rund 200.000 Fußballfans auf Deutschlands größter Fanmeile die TV-Übertragungen der beiden letzten Begegnungen im WM-Viertelfinale verfolgt. Dabei gab es - wie auch an den Spieltagen zuvor - keine besonderen Vorkommnisse. Nach dem Erfolg der deutschen Mannschaft am Freitag gegen Argentinien soll die Fanmeile für die ausstehenden Matches der deutschen Elf vergrößert werden. (tso/ddp/AFP)


Amokfahrer in Psychiatrie gebracht

Der 33jährige, der ein Auto in die Fanmeile steuerte, ist offenbar nicht voll schuldfähig. Er gilt als schwieriger Einzelgänger

04.07.2006 - Von Michael Behrendt, Axel Lier und Steffen Pletl http://www.morgenpost.de/content/2006/07/04/berlin/839285.html Aus der Berliner Morgenpost vom 4. Juli 2006

Bild aus der Morgenpost Das Ende einer Amokfahrt: Der neue VW Polo ist an Absperrgittern zum Stehen gekommen. Die Fahrräder hat er mitgeschleift.

Bei den Untersuchungen zu der Amokfahrt im Bereich der Fanmeile haben die Ermittler keine Hinweise auf eine politische oder religiöse Motivation des Täters gefunden. Der 33jährige aus Reinickendorf wurde einstweilig in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Insgesamt wurden 26 Menschen bei dem Zwischenfall am vergangenen Sonntag verletzt.
Rahmat S. ist Sohn pakistanischer Einwanderer. Seine Eltern kamen vor 25 Jahren nach Berlin, zuvor hatte sich der Vater bei der Volkswagen AG in Wolfsburg als technischer Mitarbeiter in eine gehobene Stelle gedient. Später übernahm er einen Posten bei Mercedes in Berlin, bezog mit seiner Familie eine Wohnung in Reinickendorf. Wegen des guten Verdienstes des Mannes konnte seine Frau zu Hause bleiben.
Zwischen dem Vater und seinem einzigen Sohn ist es laut Bekannten in der Vergangenheit immer wieder zu Spannungen gekommen. Zwar habe Rahmat S. erfolgreich die Grundschule und anschließend das Gymnasium besucht, nach dem bestandenen Abitur habe es in beruflicher Hinsicht bei dem jungen Mann indes nur Mißerfolge gegeben. "Er brach zunächst eine Banklehre ab, anschließend schrieb er sich an der Universität für ein Studium der Betriebswirtschaftslehre ein", berichtet ein Bekannter der Familie; doch auch dieses habe er nicht beendet. Für den Vater, der sich nach oben gearbeitet hatte, sei dies nicht akzeptabel gewesen.
Rahmat S. sei schon immer ein Einzelgänger gewesen, heißt es. Nach der Schule sei er immer gleich nach Hause gekommen, Freunde habe er nicht gehabt. Er gab selbst keine Kindergeburtstagpartys und wurde zu keinen eingeladen. "Er ist ein Einsiedler", so ein Bekannter.
Zwischen Sohn und Vater sei es in jüngster Zeit mehr und mehr zum Zerwürfnis gekommen. Die Arbeitslosigkeit und die Tatsache, daß Rahmat S. keine Frau hatte, hätten immer wieder zum Streit geführt. Schließlich besorgten die Eltern ihrem Sohn ein Ein-Zimmer-Apartment drei Hausnummern neben ihrer eigenen Wohnungen. Der Vater fand den Weg nicht in das 28 Quadratmeter große Quartier. Die Mutter wurde mehr und mehr zur Mittlerin zwischen den beiden.
So war es offenbar auch am Tag der Amokfahrt: Rahmat S. ist mit seiner Mutter in dem erst drei Wochen alten silberfarbenen VW Polo unterwegs. Man hat geplant, den Vater abzuholen und ihn zum Botanischen Garten zu bringen. Doch dann ändert Rahmat S. die Route; er biegt zum Brandenburger Tor ab, durchbricht die Absperrungen, rast in die Menge, verletzt viele Fans.
Die Mutter von Rahmat S. gab zu Protokoll, daß sie sich das Verhalten ihres Sohnes nicht erklären könne. Er habe jedoch während der Fahrt wesensverändert gewirkt.
Der Täter soll nach Informationen dieser Zeitung auf konkrete Nachfragen zu der Tat wortreich, aber inhaltsleer geantwortet haben. Laut Staatsanwaltschaft liegen dringende Gründe für die "Annahme verminderter oder aufgehobener Schuldfähigkeit" vor. Der bislang strafrechtlich nicht auffällig gewordene Beschuldigte konnte keine Angaben zum Tathergang machen: er glaubte, lediglich an einem Vorfall in der U-Bahn beteiligt gewesen zu sein.
Unter den 26 Menschen, die verletzt wurden, ist auch der elfjährige Steffen R. aus Marienfelde. Der Junge erlitt eine Gehirnerschütterung und Prellungen. "Wir werden den Jungen noch einige Tage lang beobachten", sagt Prof. Harald Mau, Chirurg der Kinderklinik des Charité Klinikums Virchow. Dennoch hofft er, daß der Fußballfan das Endspiel der WM zu Hause bei den Eltern verfolgen kann.


Amokfahrer bleibt in der Psychiatrie

http://www.morgenpost.de/content/2006/07/05/berlin/839509.html Berliner Morgenpost vom 5. Juli 2006 tal

Gefängnis oder Psychiatrie - welche Strafe erwartet den Amokfahrer von der Fanmeile? Die Entscheidung trifft ein Gericht mit Hilfe von Gutachtern. Rahmat S. war am Sonntag mit dem VW Polo seiner Mutter vor dem Brandenburger Tor in eine Menschenmenge gefahren und hatte 26 Personen verletzt. Am Montag ordnete ein Ermittlungsrichter an, den 33jährigen in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Das ist möglich, wenn Menschen während einer Tat seelisch gestört waren und Wiederholungsgefahr besteht. "Nach einer ersten psychiatrischen Untersuchung liegen dringende Gründe für die Annahme verminderter oder aufgehobener Schuldfähigkeit vor", sagt Michael Grunwald, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Bleibt es bei der Diagnose "psychisch erkrankt", ist ein Täter nicht schuldfähig und darf nicht bestraft werden. "Gilt er weiter als gefährlich, wird er unbefristet in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht", sagt Nicole Friedrich, Sprecherin der Vereinigung Berliner Strafverteidiger. Nur wenn Ärzte einen Richter überzeugen, daß keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit besteht, kommt er frei. "Das ist anders als eine normale Haftstrafe, die automatisch abläuft", sagt Friedrich. Möglich ist auch eine Kombination: Erst Unterbringung in der Psychiatrie, dann, nach Heilung, Haft.


Landgericht: WM-Fanmeilen-Fahrer in psychiatrischem Krankenhaus untergebracht (PM 59/2007)

Pressemitteilung Nr. 59/2007 vom 02.11.2007 http://www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/kg/presse/archiv/20071102.1430.88151.html

Eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Berlin hat heute die Unterbringung eines 34 Jahre alten Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Hintergrund der Anordnung dieser Maßregel in einem Sicherungsverfahren ist die sog. „Amokfahrt“ des Beschuldigten auf der WM-Fanmeile am 2. Juli 2006.

Dieser hatte am Nachmittag des Tattages mit seinem Fahrzeug die Absperrungen der in Berlin-Mitte eingerichteten Fanmeile zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 durchbrochen und war mit einer Geschwindigkeit von zeitweise etwa 40 km/h in Richtung Brandenburger Tor gefahren. Bereits beim Durchbrechen der ersten Sperre hatte der Beschuldigte Menschen verletzt. Auf seinem weiteren Weg seien die Menschen geradezu zur Seite „gespritzt“, um dem PKW auszuweichen, so der Vorsitzende in seiner Urteilsbegründung. Das Fahrzeug des Beschuldigten sei schließlich kurz vor dem Brandenburger Tor mit erheblicher Geschwindigkeit gegen weitere Absperrgitter gefahren, die durch den Aufprall umher geflogen seien. Insgesamt 15 Geschädigte seien durch die Fahrt auf der Fanmeile körperlich verletzt worden, darunter auch Kinder. Weitere fünf Personen seien durch das Erlebte psychisch beeinträchtigt.
Nach dem Gutachten eines medizinischen Sachverständigen und den entsprechenden Feststellungen des Gerichts litt der Beschuldigte zur Tatzeit an einer Geisteskrankheit. Dies habe sich bereits im Vorfeld der Tat gezeigt: Der Beschuldigte, der mit seiner Mutter als Beifahrerin durch die Straßen Berlins gefahren sei, habe sich „merkwürdig“ verhalten, zum Beispiel die Sperre an der Ausfahrt eines Parkhauses durchbrochen. Die Mutter habe von einem Lächeln des Beschuldigten gesprochen, das nicht zu interpretieren gewesen sei. Der Beschuldigte selbst hatte im Rahmen der Hauptverhandlung erklärt, er habe die Autofahrt insgesamt in einem Hochgefühl erlebt, euphorische Gefühle gehabt und das Fahrgefühl genossen.
Nach den Feststellungen des Gerichts war die Tat vom 2. Juli 2006 als versuchter Mord mit gemeingefährlichen Mitteln in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu werten. Infolge seiner geistigen Erkrankung handelte der Beschuldigte indes ohne Schuld und war nicht zu bestrafen, sondern in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Unbehandelt seien weitere schwerwiegende Taten zu erwarten und er sei für die Allgemeinheit gefährlich. Eine Aussetzung dieser Maßregel zur Bewährung sei „sehr eindeutig“ nicht in Betracht gekommen. Der Beschuldigte, der sich seit seiner Festnahme in vorläufiger Unterbringung befindet und dort behandelt wird, sei bislang nicht erprobt in „Freiheit und Stress“.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, es kann mit dem Rechtsmittel der Revision zum Bundesgerichtshof angegriffen werden.

§ 63
Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus

Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, dass von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.

Pressemitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin Nr. 36/ 2006 v. 3. Juli 2006
Presseberichterstattung v. 3. Juli 2006 bis 22. September 2007

Iris Berger
Pressesprecherin


WM 2006 in Berlin


WM 2006 in Deutschland